Heute Nachmittag ging es also los mit der ersten ProTour-Rundfahrt des Jahres, Paris-Nizza.
Und die Fahrt zur Sonne unterstreicht durch ein erstklassiges Starterfeld ihre Ausnahmerolle als "echter" ProTour-Auftakt nach dem Aufgalopp in Australien. Cadel Evans, Alberto Contador, Lance Armstrong, Damiano Cunego, Ivan Basso, Frank Schleck: Das sind nur einige große Namen, die es hier zuhauf am Start zu sehen gibt. Die genannten Fahrer gelten für viele zudem auch als die Topfavoriten für den Gesamtsieg. Was diesen angeht, so haben Evans, Contador und Armstrong ihrer Konkurrenz durch die heutige Etappe natürlich schon etwas voraus, da alle drei als sehr starke Zeitfahrer gelten. Denn Paris-Nizza fängt fast schon traditionell mit einem Zeitfahren an. Diesmal wird dieses allerdings als erste richtige Etappe und nicht nur als Prolog gewertet, da der Kurs mit 9,3 Kilometern exakt 1,3 Kilometer zu lang ist, um die Bezeichnung "Prolog" tragen zu dürfen. Nichtsdestotrotz waren vor dieser Etappe natürlich auch Prologspezialisten wie Bradley Wiggins oder Brett Lancaster als Favoriten auf den Tagessieg genannt worden. Dazu kamen mit Dekker, Evans, Armstrong, Martin, Lövkvist und Contador die üblichen Namen, wenn es ans Zeitfahren geht. Für die Sprinter, die ja manchmal bei kurzen Zeitfahren vorne dabei sind, war dieser Kurs jedoch definitiv nichts. "Deutlich zu lang und zu anspruchsvoll", lautete so zum Beispiel das Fazit von Allan Davis, als dieser nach Dusche und Abendessen zum Interview zur Verfügung stand. Mehr als eine Minute ließ er sich vom Tagessieger abnehmen, was ihn jedoch nicht besonders interessieren dürfte.
Anderen hingegen war das Ergebnis sehr wichtig und einige würden es sich wohl am liebsten einrahmen, so zum Beispiel Sebastien Joly, der eine frühe Bestmarke setzte, die erstaunlich lange Bestand hatte und schlussendlich Rang drei für Joly bedeute, was an eine Sensation grenzt. Sein letzter guter Auftritt im Kampf gegen die Uhr liegt mit dem 4. Platz bei Tirreno-Adriatico im vergangenen Jahr nämlich schon etwas zurück.
Richtig spannend wurde es dann, als die Teams ihre Gesamtwertungsaspiranten auf die Strecke schickten, was üblicherweise am Ende geschah. Zuvor bissen sich jedoch noch andere Spezialisten für diese Disziplin die Zähne an der Zeit Jolys aus. Am nähsten kam Joly der Brite Bradley Wiggins, der doch mit sieben Sekunden Rückstand dennoch einen beträchtlichen Rückstand aufwies. Weitere Zeitfahrspezialisten scheiterten deutlicher. Am meisten enttäuschte wohl Brett Lancaster mit Rang 26 am Ende, für den das Teilstück wohl einfach zu lang war. Aber auch andere Fahrer waren am Ende etwas enttäuscht. Belovosciks als 19., Vaugrenard als 15., Posthuma als 12., sie alle hielten nicht ganz das, was man sich von ihnen versprach.
Am Ende stand dann noch der Showdown zwischen den Kapitänen auf dem Programm, von denen sich viele auch Hoffnungen auf den Tagessieg machten. Dies traf zwar nicht auf Fränk Schleck zu, doch ein Rückstand von mehr als 40 Sekunden dürfte ihm einen guten Gesamtrang schon leicht erschweren. "Da ist noch nichts entschieden, ich bin in guter Form und die Rundfahrt ist ab jetzt auf mich zugeschnitten", so der Luxemburger im Ziel. Wesentlich besser erging es da schon Cadel Evans, der als Erster die Zeit von Joly knacken konnte. Lediglich zwei Sekunden betrug sein Vorsprung auf den Franzosen, doch wichtiger wird ihm die Zeit sein, die er zwsichen sich und seine Konkurrenten á la Schleck gelegt hat. So nahm Evans mit Cunego (31 Sek.), Popovych (31 Sek.), Monfort (13 Sek.) und Moncoutie (mehr als 40 Sek.) schon vielen seiner Konkurrenten wertvolle Zeit ab, die für die Geschlagenen des heutigen Tages im laufe dieser Rundfahrt schwer aufzuholen sein wird, doch man darf gespannt sein, ist Paris-Nizza doch immer wieder für Überraschungen gut.
Alles andere als eine Überraschung war dann der Auftritt des jungen Deutschen Tony Martin, der nur 14 Sekunden auf den bis dato führenden Evans verlor und sich am Ende über Tagesrang Sieben freuen durfte. Auch Basso mit Rang 13 und Armstrong mit Rang 10 blieben in den Erwartungen. Eben diese Erwartungen übertraf der Cofidis-Kapitän Pierrick Fedrigo, als dieser vollkommen überraschend eine Sekunde vor Armstrong über den Zielstrich rollte und alle überraschte. "Die Beine waren gut, sehr gut sogar. Hoffentlich kann ich das im weiteren Verlauf der Rundfahrt umsetzen". Fedrigo also noch nicht mit einer Kampfansage an die Konkurrenz. Eine Kampfansage, die sich gewaschen hatte, war allerdings der Auftritt von Thomas Dekker. Sein Team, das nur 15 Minuten vor Anmeldeschluss das Aufgebot bekanntgab, schien durch den Stress vor dem Start nicht besonders beeindruckt. So war auch schon Joost Posthuma mit Rang 12 am Ende sehr ordentlich unterwegs gewesen, doch Dekker toppte alles. Der Niederländer kam sofort in tritt und bei ihm lief alles wie am Schnürchen. Ein Schnitt von über 50 km/h reichten letztendlich heute zum Tagessieg, den Dekker in sehr beeindruckender Manier holte. Und das obwohl er bei seinem bislang einzigen Saisonrennen, der Tour of California recht unauffällig fuhr. Am Ende lag er noch mal sage und schreibe acht Sekunden vor dem Australier Cadel Evans. Nach dem Paukenschlag durch Dekker wartete alles nur noch auf einen Mann: Alberto Contador. Und er zeigte, dass er sich im letzten Jahr im Zeitfahren deutlich verbessert hatte. Ein achter Platz mag einen Contador zwar nicht so Luftsprüngen hinreißen, aber das bei seinem Saisonauftakt ist sicher aller Ehren wert. Er verlor jedoch auch schon 25 Sekunden auf Dekker. Ob er dies in scheinbar recht schwacher Form noch aufholen kann, ist fraglich.
Hier sehen Sie die Top Ten also im Überblick:
Zitat
01. Thomas Dekker (RAB)
02. Cadel Evans (SIL) +0.08
03. Sebastien Joly (LAM) +0.10
04. Bradley Wiggins (CTT) +0.17
05. Thomas Lövkvist (THR) +0.18
06. Maxim Monfort (SAX) +0.21
07. Tony Martin (LIQ) +0.22
08. Alberto Contador (AST) +0.25
09. Pierrick Fedrigo (COF) +0.28
10. Lance Armstrong (KAT) +0.29
Nach diesem packenden Auftakt geht es für die Fahrer morgen über 195,6 Kilometer von Saint-Brisson-sur-Loire nach La Chapelle-Saint-Ursin und es wird allerorts ein Massensprint erwartet. Anlass dazu liefert zum einen ser sehr flache Rennverlauf und zum anderen die große Zahl an ambitionierten Sprintern, die hier am Start stehen. So gibt es mit Brown, Chicchi, Feillu, Boonen, A. Davis, Petacchi, Cooke, Seb. Chavanel gleich acht Sprinter, die sich wohl Chancen auf den Sieg ausrechnen dürfen.
Ich verabschiede mich nun, ich hoffe, es hat Ihnen gefallen. Auf Wiedersehen.
Holte alles aus sich heraus und gewann: Thomas Dekker