Campionati - Meisterschaften[/size]
Straßenrennen - Teil 4
Noch 9 Kilometer Sie sind im Anstieg drin, das Sella-Trio ist an der Garzelli-Gruppe dran, Bruseghin weg und die Spitzengruppe hat noch 7 Sekunden Vorsprung. Es kann beginnen!
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[size=85](letzte 9 KM LIVE)
Giampaolo Caruso fährt von vorne in den Anstieg rein, circa 1,5 enorm spannende Kilometer werden nun folgen, die Anspannung steht den Fahrern ins Gesicht geschrieben, der Schmerz aber ebenso. Pietropolli hält sich am Ende der Gruppe auf und schaut sich immer wieder um, er wartet auf seine Teamkollegen Sella und Garzelli, aber vor allem Skil dürfte ein Interesse daran haben, dass diese nicht herankommen. Dafür scheint es aber schon zu spät, nur noch wenige Meter trennen die beiden Gruppen, dann würden aus Sieben mit einem Mal Siebzehn werden. Und jetzt geht Bertolini vorne! Die rennentscheidende Attacke oder doch eher eine letzte verzweifelte Tat um dem Zusammenschluss zu entgehen? Eine kleine Lücke ist entstanden, aber schon machen sich Baliani und Nocentini an diese zu schließen, was aber nicht sofort gelingt.
Und hinten ist es soweit, die beiden Gruppen sind zu einer geworden und man braucht von alles anderem als von einer gewagten Prognose zu sprechen, wenn man sagt, dass der italienische Straßenmeister 2011 aus eben dieser Gruppe kommen wird. Vorne aber ist momentan ein einzelner Fahrer und zwar Alessandro Bertolini. Die ersten 200 Meter des 1500 Meter langen Antiegs sind absolviert und hinten schießt der nächste Fahrer aus der Gruppe heraus und das ist zweifelsohne Emanuele Sella! Acqua spielt jetzt die zahlenmäßige Überlegenheit aus, aber auch Geox hat noch einige Fahrer und so ist Baliani, der sich lange vorne in der Gruppe geschont hat, umgehend dabei, außerdem Valerio Agnoli von Astana.
Wer reagiert sonst in der Gruppe? Masciarelli macht sich auf das Loch zu schließen, der Rest der Gruppe geht mit. Bertolini fightet vorne noch alleine, gefolgt von den eben genannten Sella, Agnoli und Baliani. Schon aber hat Masciarelli die Lücke zu diesen geschlossen, das Spiel beginnt nach 500 absolvierten Metern wieder von vorne.
Sofort schickt Acqua den nächsten Mann los, jetzt ist es Daniele Pietropolli. Der ist schon seit 47 (!) Kilometern an der Spitze, was für eine Leistung. Diesmal geht Masciarelli auf der Stelle mit und zieht auch gleich durch, ein neues Duo auf der Jagd nach Bertolini, der diese kurze Pause zwischen dem Einholen von Sella und dem Antritt von Pietropolli genutzt hat, um seinen Vorsprung weiter auszubauen. Hinten müssen jetzt andere die Verfolgung organisieren, das Caruso, Garzelli und Sella nicht fahren ist klar. Daniele Colli kommt nun mal nach vorne, der war bisher wirklich sehr unscheinbar, aber ist mit Visconti und Co. nach vorne gekommen. Auch Anza versucht nachzusetzen, jetzt geht Visconti in die Führung. Garzelli am Ende der Gruppe, etwa ein Zeichen der Schwäche oder nur Poker? Santaromita, der wie Colli und Anza recht unauffällig fährt, mustert ihn von der Seite. Aber vorne spielt die Musik und da ist immer noch Bertolini, während wir Baliani und Agnoli in leichten Problemen sehen.
Und Visconti hat mit einem Kraftakt das Loch zu Masciarelli und Pietropolli geschlossen. Und wer schießt denn da am linken Straßenrand vorbei? Das ist Stefano Garzelli! Ein Wahnsinnsantritt, der lässt ja alle stehen! Einfach begeisternd, wer hat die Kraft um zu reagieren? Alessandro Ballan macht sich auf die Verfolgung, aber Garzelli hat eine ordentliche Lücke gerissen, ist schon fast an Bertolini dran! Ballan mit Ginanni am Hinterrad, dahinter Chiarini und Santaromita, fast jeder quält sich jetzt hier einzeln den Anstieg hoch.
Aber Garzelli schließt zu Bertolini auf, nein, der schließt nicht auf, der lässt ihn einfach stehen! Das soll der Mann sein, der letzen Herbst noch über ein Karriereende nachdachte?! Wie entfesselt sprintet Garzelli förmlich den Berg hoch, Bertolini kann nur ungläubig hinterherschauen. Und Ballan und Ginanni sehen auch ungeheur schnell aus für so eine Steigung, sind jetzt auch bei Bertolini, lassen diesen auch stehen. Dahinter sehen wir Chiarini, Santaromita ... und tatsächlich Visconti! Mit scherzverzerrtem Gesicht scheint Visconti hier noch mal die zweite Luft zu bekommen, quält sich Meter um Meter nach vorne. Caruso sehen wir da noch, bei ihm sind Ratto und Colli, auch Masciarelli, Anza und Nocentini nicht allzu weit weg.
Wenige Meter noch bis zur Kuppe mit einem wie entfesselt fahrenden Stefano Garzelli sowie zwei den Berg hochsprintenden Verfolgern Alessandro Ballan und Francesco Ginanni.
Garzelli ist oben und schmeißt sich in die Abfahrt, beschleunigt auf 60...70...80...90 km/h, scharfe Kurve, Achtung!! Uiuiui, mit Ach und Krach rettet sich Garzelli um die Kurve und bleibt auf der Straße, Ballan und Ginanni nehmen die gleiche Stelle etwas besser. Gut und gerne 10 Sekunden sind das aber schon.
Ein Duo, bestehend aus Santaromita und Chiarini folgt, Bertolini ist da jetzt aber auch dabei, dahinter ein alles riskierender Visconti, auch der kommt in die Kurve...ahhhh, schrammt die Leitplanke, muss ausklicken und wieder neu anfahren. Man man man, eine Schreckssekunde nach der anderen, zum Glück hat Visconti aber "nur" einige Meter verloren. Caruso, Ratto, Colli und kurz danach Nocentini, Anza und Masciarelli.
4 Kilometer noch vorne für Garzelli, die Abfahrt ist fast zu Ende und Garzelli hat ein bisschen von seinem Vorsprung eingebüßt, ich denke, dass wird schwer, den noch zu halten. Ballan und Ginanni sind sich einig, was auch sonst bei dieser Rennsituation. Visconti schmeißt sich in die letzten Kurven um das Trio vor ihm noch einzuholen, aber da sind schon einige Meter Unterschied.
Garzelli beißt an der Spitze, schaut sich um, das soll er doch nicht machen!
Was geht jetzt im Kopf von Garzelli vor? Angst vor den Verfolgern? Freude auf den Sieg, der so nah und doch so fern scheint? Vermutlich gar nichts, vermutlich einfach nur das aggressive Durchzieh-Gefühl. Ginanni löst Ballan ab, die beiden haben Garzelli im Blick, aber sie kommen ihm nur schleppend näher. Dennoch dürften sie es zu zweit auf den verbleibenden Metern noch schaffen, heranzukommen. Bertolini, Chiarini und Santaromita sind noch mal etwa 10 Sekunden hinter den beiden.
1,5 Kilometer nur noch für Garzelli! Aber der Vorsprung schmilzt, er schmilzt beständigt, er schrumpft Meter um Meter zusammen. Wieder ein Blick nach hinten, wieder reißt er den Kopf nach vorne rum und zieht weiter durch. Kann er die beiden auf Distanz halten oder nicht? Dahinter hat sich Visconti tatsächlich an das Trio herangekämpft, ein Wahnsinnsrennen von ihm.
Flamme Rouge, letzter Kilometer. Die Spannung hat ihren Höhepunkt erreicht. Garzelli? Ballan? Ginanni? Wer macht es? Ballan übernimmt die Führung, geht noch mal aus dem Sattel, will noch mal beschleunigen, will die Lücke endlich zu fahren. 40 Meter sind das knapp.
600 Meter, Garzelli bleibt sitzen, sein Gesicht sieht aus als krümme er sich vor Schmerzen, aber er muss weiterfahren, muss weiterfahren.
400 Meter, der Vorsprung jetzt etwa gleichbleibend, aber haben Ballan und Ginanni noch die größeren Sprintreserven um nach vorne zu kommen? Hinten geht Visconti tatsächlich noch mal und tritt an, alles oder nichts.
250 Meter, Garzelli geht aus dem Sattel, setzt sich wieder hin, geht noch mal hoch, setzt sich noch mal hin, schaut sich erneut um. Das wird knapp, arg knapp, Ballan eröffnet den Sprint, Ginanni versucht sich festzubeißen.
Die Lücke nach vorne wird kleiner, aber Garzelli hat noch einen Vorsprung. Er kämpft.
Was für ein Blick, entfesselte Augen, aufgerissener Mund, die Ziellinie kommt, sie kommen von hinten ... aber Garzelli siegt! Triumphiert, gewinnt, hat es geschafft! Am Ende, nach 259,6 Kilometern, sind es dann doch einige Meter Vorsprung auf den Zweiten Ballan, Ginanni geschlagener, aber dennoch mit Sicherheit zufriedener Dritter, er war zum Ende einfach platt.
Und dahinter hat es Visconti tatsächlich geschafft, er wird Vierter knapp vor Chiarini und Santaromita, Bertolini ist leicht abgeschlagen.
Der Sprint um Platz 8 nun in vollem Gange, Colli macht es vor Ratto und Caruso, während Anza vor Masciarelli Elfter wird, Nocentini musste noch eine kleine Lücke lassen. Weitere Fahrer trudeln ein, hinten sehen wir auch die Gruppe um Scarponi, die sich tatsächlich noch knapp vor dem Feld gehalten hat, einige haben da wohl bis zum Ende an ein Vorstoßen geglaubt bzw. hat man im Feld auch aufgegeben.
Ich verabschiede mich von einem in der Tat packenden Meisterschaftsrennen aus Italien. Ein Jahr nun darf Garzelli den Lohn für diesen Kampf auskosten mit dem Meistertrikot auf den Schultern.