Ich begrüße sie recht herzlich zum Radklassiker Rund um die Braunkohle, besser bekannt als "Neuseenclassics", wie das Rennen seit seinem Relaunch 2004 (die erste Austragung fand bereits 1955 statt) aufgrund der großen Wasserreservoirs in den ehemaligen Tagebau-Gruben heißt. Im vergangenen Jahr war der Franzose William Bonnet siegreich, allerdings sind weder er noch der Sieger der 2009er-Austragung, Heinrich Haussler (übrigens 4. im Vorjahr), die beide in französischen Teams fahren, hier am Start.
Unter den Startern ist aber der Vorjahreszweite Gerald Ciolek, der darauf hofft seinem Geox-Team vor heimischer Kulisse einen Erfolg zu bescheren. Die größte Konkurrenz wird dabei zum einen aus dem Team Europcar um Filippo Pozzato und John Degenkolb, zum anderen aus dem HTC-Highroad-Rennstall - das vergangenes Jahr das Rennen ausließ - um den Norweger Alexander Kristoff (vor kurzem selber noch bei Europcar) kommen, zumal ein Massensprint ob des flachen Profils und dem Ausgang der letzten Jahre wahrscheinlich erscheint.
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Die erste Attacke des Tages setzte Ronan van Zandbeek von der niederländischen Équipe Skil-Shimano, dem sich umgehend der Belgier Bart Dockx (Landbouwkrediet) anschloss. Etwa 6 Kilometer fuhr das Duo etwa 15 Sekunden vor dem Feld her, bevor weitere Fahrer in die Offensive gingen, mit Wouter Wippert erneut ein Niederländer. Dabei waren jetzt auch der schweizer Meister Martin Elmiger vom einzigen deutschen Team NetApp, sowie das Lampre-Duo Nikola Aistrup/Sergio Paulinho. Lampre hat nach dem schwierigen Giro, den Alberto Contador aufgrund einer Allergieerkrankung und teaminterner Querelen nur auf dem 22. Platz abschloss, endlich einen neuen Manager gefunden, Aistrup und Paulinho setzten hier also gleich ein Zeichen.
Ronan van Zandbeek (Skil-Shimano) bei seiner Attacke mit Bart Dockx (Landbouwkrediet)[/size]
Das Feld ließ die sechs Fahrer an der Spitze nun ziehen, doch bald schon setzten sich Geox und Europcar mit je drei Fahrern an die Spitze um den Rückstand zu dezimieren. Ihren Maximalvorsprung erreichte die Gruppe bei KM 84, es waren stolze 11 Minuten. Nur schleppend wurde dieser Vorsprung kleiner, so dass die sechs Ausreißer 50 Kilometer vor dem Ziel immer noch sechs Minuten auf das Feld zählten.
Ronan van Zandbeek (Skil-Shimano)
Bart Dockx (Landbouwkrediet)
Wouter Wippert (HTC-Highroad)
Martin Elmiger (NetApp)
Nikola Aistrup (Lampre-ISD)
Sergio Paulinho (Lampre-ISD)
Im Feld verstärkte nun Geox seine Nachführarbeit, zudem kam Quick Step mit zwei Fahrern zur Hilfe. 25 Kilometer vor dem Ziel waren es nur noch drei Minuten, 15 Kilometer vor dem Ziel gar nur noch 1:24 Minuten an Vorsprung. An der 10-Kilometer-Marke wiederum war der Vorsprung auf so wenige Sekunden zusammengeschmolzen, dass Routinier Jens Voigt vom Team NetApp einen Vorstoß wagte. Ihm schloss sich Albert Timmer von Skil an. Das Duo schloss schnell zur Spitze auf, wo sich jetzt vor allem van Zandbeek und Elmiger für ihre frischeren Teamkollegen aufrieben. Bald schon waren nur noch Voigt, Timmer und Paulinho an der Spitze, der Rest wurde vom Feld geschluckt.
Voigt sorgte dafür, dass die Gruppe gut funktionierte und bis zu 24 Sekunden Vorsprung auf das Feld herausfuhr. Dort hatte sich jetzt aber HTC in bekannter Manier mit Grégory Joseph, Michal Kwiatkowski, Dan McLay und Cameron Meyer an die Spitze gesetzt, vor allem letzterer sorgte dafür, dass die drei an der Spitze 2 Kilometer vor dem Ziel doch entkräftet aufgeben mussten, gerade Voigt merkte man nach einem von Erkrankungen gebeutelten Frühjahr in dem er kein einziges Rennen absolvierte (!), die noch fehlende Form an, dennoch meldete er sich hier eindrucksvoll zurück.
[size=85]HTC-Highroad sorgt dafür, dass Jens Voigts Attacke bei seinem Renncomeback nicht bis ins Ziel andauert
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Und jetzt sind wir noch LIVE auf den letzten etwa 1700 Metern. Vorne derzeit noch der Ungarn-Franzose Laszlo Bodrogi, das Team Europcar mit fünf Fahrern vorneweg, sie ziehen hier entweder für Pozzato oder aber das deutsche Sprinttalent John Degenkolb an. Dahinter harte Kämpfe um Degenkolbs Hinterrad, momentan scheint das HTC-Duo Bobridge/Kristoff da die besten Karten zu haben. Unmittelbar dahinter auch drei Landbouw-Fahrer zu sehen, im vorderen Getümmel ist auch Ciolek, momentan aber nicht allzu gut positioniert, wen erkennt man sonst noch? Einige NetApp-Fahrer, Baumann, Kluge, Fröhlinger und auch Förster.
1,3 Kilometer, Bodrogi hat eben ausgenommen, aber es sind immer noch vier Europcar-Fahrer, das sieht nach dem perfekten Lead-Out aus! Marcus Burghardt sorgt von vorne für das Tempo, dass niemandem erlaubt, am Zug vorbeizuziehen. Immer noch Bobridge und Kristoff direkt an Degenkolbs Hinterrad, der momentan in der hintersten Position, vermutlich fahren sie tatsächlich für den 22-jährigen. NetApp scheint sich Stück für Stück nach vorne zu schieben, aber für wen fahren die eigentlich? Kluge? Förster? Baumann?
Ein Kilometer noch, der Teufelslappen als imaginäre Linie für die letzten 1000 Meter! Burghardt immer noch von vorne, gleich wird er rausgehen und an den Franzosen Adrien Petit übergeben. Dies geschieht genau in diesem Augenblick, explosiv tritt der kleine Franzose hier an, reißt da gleich eine Lücke zu Pozzato und Degenkolb, der war fast zu heftig der Antritt, man merkt, dass da ein wenig die Zugerfahrung fehlt.
Pozzato schließt aber die Lücke wieder, schaut sich nach Degenkolb um, erledigt seinen Job vorbildlich. Auf der linken Seite versuchen die Landbouw-Fahrer jetzt auszuscheren, Abakoumov zieht raus, mit Vantomme und Boeckmans am Hinterrad und das sieht gar nicht schlecht aus, sie haben die kleine schwäche im Europcar-Zug genutzt und sind nach vorne gekommen. Ein Skil-Fahrer hat sich ans Hinterrad von Boeckmans gemogelt, ist das Houanard oder Ariesen?
500 Meter noch, Petit hat schon kurz zuvor rausgenommen beziehungsweise ist Pozzato viel mehr an ihm vorbeigezogen um wieder nach vorne zu kommen, nach dem Vantomme und Boeckmans sich links einen kleinen Vorsprung erkämpft hatten, jetzt wieder Pozzato und Degenkolb auf gleicher Höhe. Links Vantomme und Boeckmans gegen rechts Pozzato und Degenkolb! Pozzato sorgt für einen kleinen Vorteil.
220 Meter...200...Kristoff startet seinen Sprint vom Hinterrad von Degenkolb aus, der etwas gezögert hat, jetzt aber kraftvoll antritt, unverkennbar haut er in die Pedale, noch ist aber links Boeckmans weiter vorne...Degenkolb kommt auf, Kristoff auch noch dabei, kommt ebenfalls etwas näher, Degenkolb gleichauf mit Boeckmans, geht vorbei, es sind noch einige Meter...deutlicher Sieg! Deutlicher Sieg für John Degenkolb! Boeckmans eine Radlänge zurück, dann Kristoff auf Drei. Pozzato hat bis ins Ziel durchgezogen, nur knapp hinter Kristoff wird er Vierter. Fünfter oder Sechster der Skil-Fahrer...und es ist tatsächlich Johim Ariesen, 23 Jahre jung. Auf der rechten Seite war Ciolek aber einen Tick weiter vorne, der wird also Fünfter.
Kluge von NetApp auf der Sieben, gefolgt vom Lampre-Sprinter Pietropolli und dem Europcar-Anfahrer Adrien Petit. Der ist am Ende sogar noch an Vantomme vorbei gezogen, der die Top10 vervollständigt.
Das war es also von den Neuseenclassics 2011, John Degenkolb zeigt sein ganzes Talent und holt den nächsten Saisonerfolg für Europcar - bis zum nächsten Jahr also, wir dürfen gespannt sein, wie oft der erst 22-jährige das Rennen noch für sich entscheiden wird.